Die Vinyl dreht sich doch!

Die Vinyl-Platte ist 60 Jahre alt und quicklebendig. Sogar Madonna und Coldplay bringen ihre Alben wieder auf LP heraus, denn das ist gut fürs Image.

 

Die 60-jährige Schallplatte findet mehr und mehr junge Freunde

 

"I find you spinning round in my brain, like the bubbles in a glass of champagne", sang Frank Sinatra am 21. Juni 1948. Seine Stimme ist konserviert auf einer Langspielplatte mit dem Titel The Voice of Frank Sinatra. Es war die erste Vinylschallplatte, die sich auf einem Teller drehte. Mit Schellack war es nun vorbei.

 

Sechzig Jahre später dreht sie sich noch immer. Seit der Einführung der CD in den achtziger Jahren ist die Schallplatte mehrfach totgesagt und ebenso oft für lebendig erklärt worden. MP3-Formate und illegale Downloads wurden beliebter, doch die Platte hat sich erstaunlich hartnäckig gehalten.

Alle Jahre wieder glaubten Musikjournalisten an eine glanzvolle Rückkehr der schwarzen Scheiben. Selten waren diese Beschwörungen mehr als nostalgische Wunschvorstellungen. Die Platte blieb DJ-Werkzeug und Fetisch unverbesserlicher Romantiker.

 

Das könnte sich in diesem Jahr ändern. Die Zukunft des Vinyls sieht rosig aus wie selten zuvor. Während die gesamte Musikindustrie die niedrigsten Umsatzzahlen seit 20 Jahren misst, hat sich die Schallplatte nach oben gearbeitet. Bereits 2007 wurden in Deutschland rund eine Million Platten verkauft; in diesem Jahr rechnet der Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft mit einem weiteren Anstieg. Die Verkäufe der spezialisierten Plattenläden und unabhängigen Versandfirmen nicht eingerechnet.

 

Auch analoge Plattenspieler sind wieder im Geschäft. 1989 gingen noch 1,8 Millionen Geräte über den Ladentisch, vor einigen Jahren brach dann der Markt ein. Wer einen Plattenspieler kaufen wollte, war auf Spezialhändler und das Internet angewiesen. In den großen Elektronikmärkten verschwanden die Plattenspieler ebenso aus den Regalen wie die Videorekorder. Mittlerweile ist die Nachfrage stark gestiegen. Besonders Geräte mit einem USB-Ausgang, der die Digitalisierung alter Schallplatten ermöglicht, sind begehrt.

 

Die großen Musikkonzerne hatten sich dennoch von der Schallplatte verabschiedet, lediglich einige kleine Plattenfirmen verstärkten ihre Vinylproduktion. Alben aus den Bereichen Independent und Elektronika erschienen stets auf CD und LP. Jetzt, da der Trend unverkennbar ist, machen auch die großen Plattenfirmen wieder mit. Ob Bruce Springsteen, Coldplay, Kylie Minogue oder Madonna - ihre Alben sind mittlerweile auch auf Vinyl zu haben. Denn das ist gut fürs Image.

 

Der digitale Download hat die Künstler zu anonymen Dienstleistern degradiert. Die Schallplatte hingegen bestärkt ihre Identität als authentische Musiker. Eine Veröffentlichung auf Vinyl ermöglicht auch eine künstlerisch anspruchsvolle Verpackung. Einige Bands lassen ihre Schallplatten als aufwendige Box-Sets gestalten, die in limitierter Anzahl erscheinen. Damit gewinnt die Schallplatte auch an ideellem Wert und lässt die verstaubten Ramschkisten hinter sich.

 

Selbst große Elektrohandelsketten leisten sich heute geschmackssicher ausgestattete Vinylregale. Die Künstler wie auch ihre Fans schätzen die LP aber besonders wegen ihrer klanglichen Vorteile. Die Mitglieder der Band The Raconteurs empfehlen, ihr neues Album Consolers Of The Lonely in ganzer Länge auf Schallplatte zu hören. Denn digitale Dateien auf CD oder dem MP3-Spieler tönen nicht annähernd so warm wie eine Schallplatte. Keine Spur von akustischen Aphrodisiaka wie das Knistern, wenn sich die Nadel in die Rille senkt. Schallplatten verlangen Aufmerksamkeit, während die digitalisierte Musik nebenher konsumierbar bleibt.

 

Trotz steigender Nachfrage ist das Geschäft mit dem Vinyl jedoch keine Goldgrube. Im Vergleich zur CD sind die Herstellungskosten hoch und die Absatzzahlen eher gering. Eine Neuerscheinung auf Vinyl verkauft sich durchschnittlich zwischen 2.000 und 10.000 Mal. Es sind besonders Liebhaber, die eine LP der CD vorziehen. Jüngere Konsumenten interessieren sich für die Schallplatte als kurioses Relikt vergangener Zeiten.

 

Nur wenige Künstler erreichen auf LP ein großes Publikum. So gehört Radioheads In Rainbows, das sich 13.000 Mal verkauft hat, schon zu den Bestsellern. Bessere Umsätze macht die Musikindustrie mit der Wiederveröffentlichung bekannter Alben auf Vinyl. So brachte Warner Music eine Schallplattenserie mit Alben von Frank Sinatra, Randy Newman oder The Doors heraus. Die verkauften sich gut.

 

Andere Musikkonzerne folgen dem Beispiel. Im August veröffentlicht die EMI einige der beliebtesten Titel ihres Katalogs erneut auf Vinyl. Darunter sind Klassiker wie Pet Sounds von den Beach Boys, John Lennons Imagine und das Jimi Hendrix-Projekt Band Of Gypsies. Im Preis will man sich kulant zeigen: Die Schallplatten sollen nicht teurer sein als eine herkömmliche CD.