Testbild: Früher gab es im Fernsehen eine Einrichtung, die sich Sendeschluss nannte. Der Zuschauer blieb nicht bei Wiederholungen drittklassiger Horrorfilme, nicht enden wollenden Anrufershows oder sexy Clips vor der Glotze kleben. Nein, irgendwann war das Programm einfach vorbei, vielen Dank, wir sehen uns morgen wieder. Dann folgte Stille, nur unterzogen von einem monotonen Pfeifen, auf dem Bildschirm eine Ansammlung bunter Balken und grauer Muster.

 

Das Testbild war viel mehr als nur ein Hilfsmittel für Fernsehmonteure, um die Antenne auf das perfekte, flimmerfreie TV-Bild auszurichten. Das Testbild war ein Symbol dafür, dass Fernsehen früher einen Anfang, oft erst am Nachmittag, und ein Ende hatte. Und irgendwie war es beruhigend, vom Testbild ins Bett geschickt zu werden. "Hey, du kannst jetzt schlafen gehen", verhieß der Piepton, "du verpasst nichts mehr."

Wählscheibe: Heute sind Telefonnummern nur noch eine abstrakte Zahlenfolge, die man auf einer Tastatur drückt oder aus einem Kurzwahlspeicher holt. Früher hatte jede Nummer einen eigenen Klang, einen eigenen ratternden Rhythmus - das Ratschen der Wählscheibe beim Vorwärtsdrehen und das Klickern, wenn sie zurücklief, immer unterschiedlich lang, je nachdem, welche Ziffer gewählt wurde. Manche Nummern waren sperriger, andere gingen leicht von der Hand und hatten einen guten Rhythmus. So war jeder Telefonanschluss ein kleiner Song, den man spielen musste, bevor es losging.

Walkman: Heute hören wir Musik unterwegs unfassbar bequem vom Mp3-Player. Der bietet viel Speicherplatz fü Hunderte von Alben, verbraucht wenig Strom und nervt nicht rum mit verdreckten Tonköpfen oder leierndem Laufwerk. Und doch...dieses Gefühl alleine bei der Bedienung, der Druckpunkt der Tasten, die (bei guten Walkman) satt zurückschnappten, wenn man wieder auf "Stop" drückte, der sportliche Aspekt, beim Spulen möglichst genau die Lücke zwischen zwei Songs zu treffen und nicht zuletzt der beruhigende Anblick der sich drehenden Bandspulen. Der Walkman war mehr Freund als Servicekraft: robust, manchmal auch anstrengend, aber immer mit viel Gefühl dabei.

Blitzwürfel: Wenig wurde durch die digitale Revolution so entwertet wie das Foto. Früher ging fotografieren so: Man kaufte einen Film. Dieser musste in die Kamera eingelegt werden. Bis zu 36 Bilder passten auf eine Rolle, deren Entwicklung wiederum Geld verschlang. All das, so profan es auch sein mag, machte jedes Foto zu einem kleinen Schatz, den man nicht achtlos wegknipste.

 

Besonders wertvoll wurde er, wenn man Blitzwürfel verwendete. Einen kleinen Kubus, in dem einzeln zündende Lichter untergebracht waren und den man so lange in seiner Fassung weiterdrehte, bis alle Blitze abgefackelt waren, dann wurde ein neuer Würfel aufgesteckt. Heute zucken selbst die Blitze billigster Digitalkameras zigtausendmal und illuminieren die zigtausend Bilder, die wir achtlos auf unserer Festplatte horten.

Videorecorder: Dank Full-HD-Bildschirmen und Blu-Ray-Playern kann man heute bei Fernsehabenden private Feldstudien über den Reinheitsgrad von Promi-Gesichtshaut anstellen, so gestochen scharf ist das Bild. Zu Zeiten der VHS-Kassette war man manchmal froh, überhaupt Gesichter erkennen zu können. Zumindest, wenn man eine Kassette immer und immer wieder überspielt hatte.

 

Trotzdem war die Beziehung zu den klobigen Bandkästen eine innige: Gab es etwas Schöneres, als sich mit Hilfe von Leerkassetten und dem Fernsehprogramm eine eigene, kleine Videothek aufzunehmen? Wie Indiana Jones durch die Programmzeitschriften zu pirschen auf der Jagd nach dem nächsten Schatz aus Hollywood, der noch fehlte in der Sammlung? Mühsam Konterfeis oder Schriftzüge abzupausen oder Collagen aus Filmfotos zu basteln für das individuell gestaltete Cover?

Mofa: Als Jugendlicher in den siebziger oder achtziger Jahren war man dem Paradies nirgends näher als im Sattel eines Mofas. Vollkommen egal, dass diese seltsamen Zwitter aus Motorrad und Fahrrad irgendwie immer verunglückt aussahen (zu massiv für ein Fahrrad und zu filigran für ein Motorrad) oder dass man mit den 50 Kubik und 25 Stundenkilometern Spitze im Standard-Trimm eigentlich hoffnungslos untermotorisiert war: Immerhin war man motorisiert, während alle anderen total unsouverän zur Schule strampelten.

 

Wie Motten ums Licht scharten sich die Mitschüler ohne um die Schüler mit Mofa, sobald diese auf den Schulhof knatterten. Es war wie auf der Bühne bei der Oscar-Verleihung. Nur jeden Tag. Zudem konnte man sich beim "Frisieren" genannten Tuning weiteren Ruhm erwerben, sobald man mit seinem durch Anbauteile wie ein Sportauspuff beschleunigten Gefährt aus der Riege der 25-Fahrer herausstach. Heute gibt es die Fahrzeuggattung Mofa zwar immer noch, doch dahinter verstecken sich in Wahrheit kleingekochte Roller, die alle gleich aussehen - und mit denen man auf dem Schulhof heute keinen Blumenpott mehr gewinnen kann.

Polaroid-Kamera: Er hatte schon etwas magisches, dieser Moment, wenn nach Sekunden angestrengten Wedelns die ersten, schemenhaften Umrisse auf dem Polaroid erschienen. Wie überhaupt auch das Fotografieren mit der Polaroid-Kamera anders war als das Knipsen mit allen anderen Kameras: Dieses gigantische, klobige Plastikgehäuse, die schlichte Technik, die meist nicht mehr erlaubte, als einfach abzudrücken, das "Ratsch", mit dem man das Bild aus dem Schlund der Kamera zog.

Und dann, nach zwei Minuten, war es da, das Bild. Ein Schnappschuss meist, eher für die Pinnwand als für den Bilderrahmen. Die Polaroid-Kamera und ihre Bilder waren in ihrer Vergänglichkeit die Digitalkameras von gestern - nur, dass es sich so unfassbar viel besser angefühlt hat, damit zu fotografieren.

Teppichklopfer: Das war schon ein merkwürdiges Ritual. Schien die Sonne, nahm die Mutter die Teppiche von ihren angestammten Plätzen, hängte sie auf die Wäscheleine oder aus dem Fenster und bewaffnete sich mit etwas, das aussah wie ein biologisch abbaubarer Badmintonschläger. Dann vertrimmte sie beherzt die Läufer und ließ dabei eine erstaunliche Staubwolke um sich herum entstehen, die sich auch Minuten nach der Prügelorgie noch nicht gelegt hatte.

 

Heute bleibt man beim Reinigen auf dem Teppich und der Staub nimmt den direkten Weg aus dem Flor in den Stahlrüssel eines Staubsaugers. Das ist als beeindruckendes Ritual natürlich überhaupt nicht zu gebrauchen. Kinder können sich trotzdem glücklich schätzen, dass der Teppichklopfer aus dem heimischen Putzarsenal verschwunden ist. So müssen sie keine Angst mehr haben, dass sie selbst die Rolle des Fußbodenbelags einnehmen. Denn oft genug wurde das Haushaltsgerät zum Züchtigungsinstrument für widerspenstige Zöglinge

Telefonzelle: Weil heute jeder seine eigene Telefonzelle in der Hosentasche mit sich rumträgt, gibt es kaum noch welche in den Straßen und die, die es gibt, sind nur noch ein schlechter Witz. Ein Spargel aus Edelstahl, an dessen Spitze eine kleine Milchglasscheibe klebt, die - ja, warum ist die da eigentlich? Vor Regen oder Sonne schützt sie zumindest nicht. Dagegen waren die gelben Zellen eine regelrechte Festung, in die man sich zur Not tagelang zurückziehen und dem Unbill des Lebens entfliehen konnte (manche rochen leider auch so, als ob genau das manche Leute getan hätten). Schon allein der enorme Widerstand der Türfeder verhieß: Wenn du es hier erst mal reingeschafft hast, bist du sicher.

 

Einmal drinnen, boten die in der rechten Ecke montierten Telefonbücher eine perfekte Sitzfläche, zumindest, wenn man die Füße, ganz teenagergemäß, unter die obere Ecke rechts neben der Eingangstür klemmte. Der Telefonapparat durchlief zwar im Laufe der Jahre einige Evolutionsstufen, vom Wählscheibenautomat zum Tastentelefon, erst in der Münzvariante und als die zu oft ausgeräumt wurde mit Telefonkarte, wirkte aber über alle Generationen hinweg wie aus dem massiven Erzblock gedreht. Dies schien leider zu provozieren: Viele der gemütlichen gelben Burgen wurden von unausgelasteten Jugendlichen hingerichtet.

Tonbandgerät: Einmal Finger hoch - wer hatte früher ein Tonbandgerät? Genau, niemand. Vielleicht, in Ausnahmefällen, der audiophile Vater des Klassenkameraden aus gutem Haus, dem die klapperigen Kompaktkassetten zu prollig waren. Und so ein Tonbandgerät war ja auch edel. Majestätisch langsam drehten sich die großen Spulen und übertrugen in feinster Qualität die Musik auf den Tonkopf. Und bis es überhaupt so weit war, dass sie sich drehten, war ein kleiner Staatsakt nötig: Spulen vorsichtig auspacken, aufstecken, vorsichtig einfädeln - erst dann konnte die Show beginnen.

 

Ein Abspielgerät wie ein Altar, mit dem das Musikhören zur Messe wurde. Nur: Welcher Teenager hatte dazu schon Lust? Entsprechend kannten die meisten Tonbandgeräte nur aus Filmen. Dort waren Tonbandgeräte das Synonym für konspirativ mitgeschnittene Gespräche, vor dem sich ebenso konspirativ gebeugt die Meute der Häscher zusammenfand.